Eine Einführung zu den Wurzeln der Fotografie. Was unterscheidet den professionellen Lichtbildner vom neuzeitlichen
Handygrafen?
Anfang des 18. Jahrhunderts gelang es dem französischen Maler und Erfinder Louise Daguerre zum ersten Mal in der Geschichte Bildmotive auf fotochemischem Wege zu fixieren, das heisst eine flüchtige Bildsituation einzufangen und festzuhalten. Mit der „camera obscura“, im Prinzip nur einer leeren, lichtdicht verschlossenen Holzschachtel, an deren Vorderseite sich ein winzig kleines Loch befand. Auf der dem Loch gegenüberliegenden Seite dieser Box wurde eine mit lichtempfindlichem Silber beschichtete Kupferplatte eingefügt. Durch dieses Loch wurde die „Fotoplatte“ belichtet. Die Belichtung dauerte aber teilweise bis zu 12 Stunden, auch für Personenaufnahmen mussten die zu portraitierenden Personen sekundenlang absolut regungslos ausharren. Die Daguerreotypie war ein sehr teueres Verfahren, aber sie war eine absolute, ungefähr 12- jährige Erfolgsstory und ist der Entwicklung des Buchdruckes vergleichbar.
Aber... letztendlich, nach vielen Versuchen und Fehlschlägen, setzte sich nicht die
Daguerreotypie durch, sondern ein Negativ–Positiv Verfahren eines britischen Kollegen von Louise Daguerre, namens William Henry Fox Talbot. Dieses Verfahren nannte sich dann PHOTOGRAPHIE. Durch die Photographie konnten nun fotografische Bilder vervielfältigt werden, das heißt es wurden Bildnegative,
damals noch mit Kochsalz und Silbernitrat beschichtete Glasplatten, erzeugt. Diese mussten im Labor
entwickelt und fixiert, also haltbar gemacht werden. Natürlich gab es nur
Schwarz-Weiss Bilder, teuer und nur für gesellschaftliche Eliten erschwinglich.
Ein amerikanischer Unternehmer, George Eastman wechselte 1880 von der Bank- in die Fotobranche und meldete
1884 den ersten Rollfilm auf Papierbasis zum Patent an.
1888 wurde KODAK als Handelsmarke registriert, die erste Kodakkamera, die
legendäre „Kodak Nr. 1“ wurde patentiert. Eastman öffnete den Markt für die Fotografie für die Massen. Marketing, Innovation und Service vom Feinsten:
„You Press the Button, We do the Rest“, der Werbeslogan von Kodak. Von
damals.
Bereits um das Jahr 1900 kostete das Kodak Kamerastandardmodell inklusive einem eingelegten Film nur noch 1 Dollar. Der Kunde brachte den belichteten Film in der Kamera zum Fotofachgeschäft, der Film wurde entwickelt, Bilderabzüge erstellt und die Kamera mit einem neuen Film geladen.
In den Jahrzehnten bis zur Revolution der digitalen Fotografie Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in der analogen Fotografie spektakuläre
Weiterentwicklungen:
Der Farbnegativfilm und damit das „Farbbild“, das Diapositiv, unterschiedlichste Filmempfindlichkeiten für fast alle Lichtsituationen, exzellente Schärfeleistungen der Filme und der
Fotopapiere, verschiedene Filmformate, wie KB (24 x 36 mm) mit allen Sonderformaten, Rollfilm (6 x 6 cm,
6 x 7 cm u.a.), Planfilme für den Profibereich (9 x 12 cm, 13 x 18 cm, 18 x 24 cm), das Polaroid
Sofortbild mit entsprechenden Kameras oder Kameraadaptern kamen auf den Markt.
Zu dieser, oder mit dieser Entwicklung wurde die Kameratechnik revolutioniert:
Die Sucherkamera (seitenverkehrtes Bild im Sucher), die Kleinbild-
Spiegelreflexkamera (24 x 36 mm Kleinbildfilm mit seiten- und höhenrichtigem Bild im Sucher) mit der Palette an Wechselobjektiven unterschiedlichster Brennweiten und
Lichtstärken, die Polaroid- Sofortbildkamera, die Mittelformat
(Rollfilm) -Kameras (6 x 6 cm. 6 x 7 cm u.a.) und die Grossformat- Fachkameras (9 x 12 cm, 13 x 18 cm, 18 x 24 cm Planfilmformate) für den professionellen Einsatz im Studio
fanden schnell Verbreitung.
Die entwickelten programmgesteuerten Belichtungsautomatiken der Kameras in Hochpräzision ermöglichten und ermöglichen nun schon dem Laien ein mehr oder weniger
brauchbares Bildergebnis.
Die Automatik regiert nun das Bildmotiv.
Die Revolution des Bildes
1981 bereits wurde das zarte Pflänzchen einer Art Digitalkamera auf der Fotokina in Köln vorgestellt. Sony
präsentierte die MAVICA (Magnetic Video Camera). Mit dieser Kamera konnten Standbilder auf zwei Zoll große Disketten abgespeichert werden. Diese konnten zwar mit einem Zusatzgerät auf einem Fernsehgerät betrachtet werden, jedoch nicht auf einem PC (der PC selbst steckte
zu dieser Zeit auch noch in den Kinderschuhen). Der Chip bot eine Auflösung bei ISO 200 von 570 x 490 Pixeln.
Das Jahr 1990 kann nun als das wirkliche Geburtsjahr der digitalen Fotografie genannt werden. Kodak stellte die Kamera DCS-100
vor. Adobe brachte das erste Bildbearbeitungsprogramm Photoshop auf den Markt.
Die digitale Fotografie wurde nun auch für ein breites Publikum erschwinglich.
Was bedeutet dies für die Fotografie?
Innerhalb kürzester Zeit wird Fotografie zu einer neuen Kommunikationsform.
Neben Sprache und Schrift wird das Bild eine Ausdrucksmöglichkeit. Das Bild kann nun mit einem Handy oder
einem Tablet-PC aufgenommen, in Sekunden über den Globus, vom Urlaubsort oder der Konferenz zum Partner
transportiert werden. Es überträgt Emotionen, Stimmungen oder auch sehr Sachliches.
Teilweise schwer in Worte umzusetzende Sachverhalte können nun einfach im Bild erklärt werden.
Bei der digitalen Fotografie sind nun keine chemischen Prozesse und Bildentwicklungen mehr nötig um ein Bild zu erhalten.
Doch sollte man eines bedenken: Bilddateien kann man nicht in der Hand halten, es sind
Zahlencodes, ein Dia oder ein Negativ vielleicht, gute Lagerung vorausgesetzt, schon noch in einhundert Jahren.
Ein Handy mit guter Software und auflösungsstarker Kamera macht jedoch noch nicht unbedingt den Profifotografen aus. Zum richtigen Zeitpunkt beim Motiv sein, kombiniert mit gutem Licht im Freien ... sicherlich
kann dies ein Highlight werden.
Professionelle Fotografie hingegen kann sich nicht auf Zufälle verlassen. Eine Arbeit im Studio muss
reproduzierbar sein. Natürlich gibt es in der Professionalität Berufszweige, wie
Pressefotografie, Landschafts- und Architekturfotografie, die ebenfalls teilweise
auf Spontanität der Situation angewiesen sind. Wissenschaftliche Fotografie mit eingeschlossen.
Was macht nun ein gutes Produktfoto aus?
Die Bildkomposition und Gestaltung.
Darstellung und Hervorhebung von charakteristischen Eigenschaften des Produktes, wie Oberfläche,
Materialbeschaffenheit, Form und Zustand.
Lichtführung und Lichteigenschaften wie Farbtemperatur, Weichheit und Härte der verwendeten Lichtquellen.
Technik wie Kamera, Optik (verwendbare Brennweite), Lichtempfindlichkeit, Rauschunterdrückung durch Kontraststeuerung (Lichtmessung gegen Kontrastfalle)
Falls nötig, Nachbearbeitungen und Retuschen.
Zum Einstellen zum Beispiel auf online-Shops wie AMAZON: Saubere Freistellarbeiten und Bildanpassungen.
Lichtquellen im Studio:
Die Standardlichtquelle ist in der Regel das sogenannte Hazylight. Dies ist eine Flächenleuchte mit weicher Lichtqualität und entspricht in der Natur einem durchgängig bedeckten Himmel ohne Sonnenlöcher. Diese Lichtquelle wird in der Regel als homogenes Grundlicht genutzt. Die entstehenden Schatten am Objekt sind weich und durchgezeichnet.
Die Softbox: Eine Lichtquelle ähnlich dem oben beschriebenen Hazylight. Softboxen in verschiedensten Größen werden an Standardfotoleuchten adaptiert und sind flexibel einsetzbar. Auch hier sind die Schatten weich. Ein sehr langweiliger Einsatz dieser Lichtquellen „links, rechts hell, geht ganz schnell“ entspricht einer uneinfühlsamen und charakterlosen Produktdarstellung. Softboxen sollten deshalb als Aufhelllichter eingesetzt werden.
Der Flooter: Diese Lichtquelle kann sehr gut für Sonneneffekte eingesetzt werden. Die Lichtqualität ist mittelhart bis hart.
Der Spot: Er erzeugt eine harte Lichtqualität, das heißt die Lichtstrahlen werden sehr gebündelt.
Der Schirm: Ein Schirm mit silber–oder goldfarbener Beschichtung wird immer an eine Hauptlichtquelle adaptiert. Er erzeugt eine äußerst weiche Lichtqualität. Ein Schirm mit silberner Oberfläche bringt kaltes Licht, ein goldfarbener Schirm bringt warmes Licht hervor.
Der Ringblitz: Er erzeugt schattenloses hartes Licht. Die Leuchtfläche des Blitzes ummantelt die Kameraoptik.
Das Boxlight oder Striplight ist eine Lichtquelle in unterschiedlichsten Formaten. Diese
Leuchten werden für Effekte benutzt. So kann bei einer hochglänzenden Oberfläche eines Objektes eine sehr definierte Lichtkante erzeugt
werden.
Das Sunlightset erzeugt eine sehr harte Lichtqualität, das heißt, es entstehen sehr scharfe,
durchgezeichnete Schattenkanten.
Natürlich gibt es eine Vielzahl weiterer Lichtquellen, die auch je nach Hersteller anders bezeichnet werden. Erst der gezielte Einsatz der Lichtqualitäten in unterschiedlichen Kombinationen setzt das Produkt in das richtige Licht.
Jedes Studio, jeder professionelle Fotograf oder Designer geht mit „Licht“ in der Regel sehr subjektiv
und individuell um. So gibt es auch jeweils sehr eigene Handschriften in der Bildsprache, wobei es für reine Produktdarstellungen eben auch Gesetzmäßigkeiten gibt. Und hierfür bietet uns die Natur die
Vorgaben.
Ein Spaziergang in freier Natur macht bei Sonnenschein meistens mehr Spaß als bei grauem Himmel. Ein Spaziergang bei Sonne ist
frühmorgens oder am späteren Nachmittag angenehmer als um zwölf Uhr mittags. Haben wir den Schattenwurf rechts von uns wird dieser als natürlicher empfunden als ein
Schatten auf der linken Seite.
Warum?
Die Morgen- oder Abendsonne ist eine tiefstehende Lichtquelle. Diese erzeugt längere Schatten
als eine Sonne im Zenit um zwölf Uhr mittags. Die Natur wirkt so kontrastreich, lebhaft und
bunt, wobei bei tiefstehender Sonne die Farbtemperatur des Lichtes wesentlich „wärmer“ ist, der Rotanteil des Lichtes ist höher als mittags. Dieser Umstand wird im Unterbewusstsein als
angenehm abgespeichert.
Ein Schatten auf der rechten Seite von uns, oder auch bei einem Objekt wird in unserem
Kulturkreis als „natürlich“ empfunden, da wir von links nach rechts lesen. Aus diesem Grund ist auch diese Tatsache in unserem Unterbewusstsein vorprogrammiert.
Ein Licht direkt von unten nach oben wird von uns als ungewohnt empfunden, da die Sonne ja
eigentlich von oben scheint. Gerade Horrorszenarien in Filmen oder Theatern nutzen diese Lichtführungen, um Angstgefühle und
Unbehagen zu erzeugen.
Die Umsetzungen dieser und weit aus mehr dieser Gesetzmäßigkeiten müssen im Studio auf die Produktdarstellung angewandt
werden.
Auch ein einfaches Produkt, welches erfolgreich verkauft werden soll, weist seine ganz
eigenen Produkteigenschaften auf.
Höchstauflösende Kameras und Kamerarückteile sind Voraussetzungen, dienen als Mittel zum Zweck, um zeitgemäss arbeiten und gestalten zu können.
Der professionelle Umgang mit Licht und das Umsetzen der Vorstellungen und Wünsche des Kunden unterscheidet wohl doch den Handyknipser vom professionellen Licht-Designer.